Ihre Auswahl:Haufe Steuer Office Premium
Sofort verfügbar
Sofort verfügbar

Deutscher Corporate Governance: Definition und Kodex

Lexikonbeitrag aus Steuer Office Premium

Prof. Dr. Stefan Müller


1. Entstehung und Geschichte des DCGK

Rz. 1

Durch eine Reihe spektakulärer Schieflagen von teilweise bedeutenden Unternehmen in Deutschland in den 1990er Jahren ist die Corporate Governance auch hierzulande stärker in das Blickfeld von Theorie und Praxis gerückt. Es wurde eine Regierungskommission "Corporate Governance – Unternehmensführung – Unternehmenskontrolle – Modernisierung des Aktienrechts" unter der Leitung von Professor Dr. Theodor Baums ins Leben gerufen. Eine weitere Kommission wurde von Dr. Gerhard Cromme geleitet und legte den sogenannten Deutschen Corporate Governance Kodex am 26.2.2002 der Öffentlichkeit vor.

Rz. 2

Parallel zu der Diskussion im Schrifttum zur Corporate Governance und als Reaktion auf die von der OECD 1999 veröffentlichten Codes of best Practice bildeten sich in Deutschland Initiativkreise, die jeweils eigene Verhaltensregeln aufstellten. Dies war zum einen die stark juristisch ausgerichtete Grundsatzkommission Corporate Governance und zum anderen der mehr betriebswirtschaftlich orientierte Berliner Initiativkreis German Code of Corporate Governance. Beide haben kurz hintereinander im Jahr 2000 die von ihnen verfassten Verhaltensgrundsätze publiziert.

Rz. 3

Ein Teil der Vorschläge der ersten Regierungskommission unter der Leitung von Professor Baums ist zwischenzeitlich gesetzlich umgesetzt worden. Dies gilt insbesondere für die jährliche Abgabe einer sogenannten Entsprechenserklärung nach § 161 Abs. 1 AktG hinsichtlich der Corporate Governance durch Vorstand und Aufsichtsrat börsennotierter Gesellschaften. Im Rahmen dieser Erklärung müssen die beiden Organe Vorstand und Aufsichtsrat offen legen, in welchem Umfang in der Gesellschaft die Empfehlungen des DCGK eingehalten werden. Gleiches gilt für Gesellschaften, deren Aktien lediglich im Freiverkehr notiert sind, die aber für andere Wertpapiere wie Anleihen oder Schuldverschreibungen den organisierten Kapitalmarkt in Anspruch nehmen. Diese Erweiterung der Normadressaten wurde erst durch das BilMoG vorgenommen.

Rz. 4

Der am 27.6.2022 im Bundesanzeiger durch das BMJV bekannt gemachte und seit dem 28.6.2022 geltende überarbeitete DCGK enthält in seinen Bestimmungen, wie die vorherigen Versionen, 3 Kategorien der Verbindlichkeit:

  • Grundsätze, die wesentliche rechtliche Vorgaben verantwortungsvoller Unternehmensführung wiedergeben und der Information der Anleger und weiterer Stakeholder dienen. Sie sind im Kodex durchnummeriert;
  • Empfehlungen, die im Text als einzelne Absätze kapitelweise durchnummeriert sind (z. B. A.1) und auch als solche überschrieben sind. Zusätzlich sind sie durch die Verwendung des Wortes "soll" gekennzeichnet;
  • bloße Anregungen, von denen ohne Offenlegung abgewichen werden kann; hierfür verwendet der Kodex den Begriff "sollte". Im Vergleich zu früheren Ausführungen sind im aktuellen Kodex die Anregungen stark reduziert worden und nur noch an wenigen Stellen mit der Nummerierung der Empfehlungen vermengt.

Von den Empfehlungen kann durch die Betroffenen zwar abgewichen werden, aber dann ist diese Tatsache in der mindestens jährlich abzugebenden Entsprechenserklärung offenzulegen und zu begründen ("comply or explain"). Dies ermöglicht es den Gesellschaften nach der Ansicht der Kodex-Kommission, branchen- oder unternehmensspezifische Besonderheiten zu berücksichtigen. Zudem wird in der Präambel des DCGK 2022 weiterhin explizit darauf hingewiesen, dass eine gut begründete Abweichung von einer Kodexempfehlung im Interesse einer guten Unternehmensführung liegen kann.

Rz. 5

Der DCGK ist seit seiner ersten Veröffentlichung mehrfach geändert worden. Erstmals erfolgte dies am 7.11.2002 bei einer früheren Empfehlung des DCGK, die inzwischen weitgehend zu einer zwingenden gesetzlichen Regelung geworden ist. Dies war entsprechend in den Kodex zu übernehmen. Die zweite Änderung erfolgte am 21.5.2003. Hier wurden auf der Ebene des DCGK bestimmte Punkte der Transparenz verschärft. Diese Fassung des DCGK wurde dann am 4.7.2003 im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht. Danach wurde der DCGK etwa in 1- bis 2-jährlichem Abstand geändert. Die bis zum 27.6.2022 geltende Fassung wurde am 16.9.2019 verabschiedet. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat dann am 20.3.2020 diese Fassung des Deutschen Corporate Governance Kodexes im Bundesanzeiger bekannt gemacht. In den letzten Jahren lag der Schwerpunkt der Änderungen auf den Gebieten Transparenz und Unabhängigkeit sowie in der Festschreibung des Bildes des "ehrlichen Kaufmanns" in der Präambel. Dieses verlangt eine Orientierung nicht nur an der Legalität, sondern ein ethisch fundiertes, eigenverantwortliches Handeln des Vorstands.

2. Kapitel F. des Deutschen Corporate Governance Kodex: Transparenz und externe Berichterstattung

2.1 Grundsatz 21: Gleichbehandlung der Aktionäre

Rz. 7

Grundsatz 21 stellt zunächst klar, dass die Gesellschaft die Aktionäre bei Informationen unter gleichen Voraussetzungen gleich zu behandeln hat. Dies ist die Wiedergabe der Gesetzeslage nach § 53a AktG, etwa bei Ad-hoc-Mitteilungen, die stets an alle aktuellen und potenziellen Investoren zu richten sind. Allerdings hat etwa der BGH eine Ungleichbehandlung als zulässig erklärt, "wenn sie sachlich berechtigt [ist] und damit nicht den Charakter der Willkür trägt". Daher könnte eine Ungleichbehandlung von Kleinaktionären und Unternehmensaktionären durchaus berechtigt sein, da unterschiedliche Interessen erwartet werden können. Sogar die Vorabinformation über mögliche Kapitalmaßnahmen oder sich generell als Vorstand bei grundlegenden Entscheidungen vorher abzusichern, wird als erlaubt angesehen, soweit dies im Unternehmensinteresse liegt. Als Empfehlung F.1 wird dies konkretisiert. Demnach soll die Gesellschaft den Aktionären unverzüglich sämtliche wesentlichen neuen Tatsachen, die Finanzanalysten und vergleichbaren Adressaten mitgeteilt worden sind, zur Verfügung stellen. Dies geht somit über die aktuelle Auslegung des § 53a AktG sowie die des Auskunftsrechts des einzelnen Aktionärs nach § 131 AktG hinaus und steht auch in einem gewissen Konflikt zu dem in Anregung A.3 beschriebenen Investorendialog des Aufsichtsrats.

2.2 Grundsatz 22: Rechnungslegung

Rz. 7a

Grundsatz 22 lautet: Anteilseigner und Dritte werden insbesondere durch den Konzernabschluss und den Konzernlagebericht (einschließlich CSR-Berichterstattung) sowie durch unterjährige Finanzinformationen unterrichtet.

Rz. 8

Damit werden zunächst die gesetzlichen Pflichten wiederholt. Wenn für ein Mutterunternehmen eine Pflicht zur Aufstellung einer Konzernrechnungslegung nach § 290 HGB oder § 11 PublG besteht, ist diese gemäß § 325 HGB offenzulegen und steht daher Anteilseignern und Dritten zur Verfügung. Die gesetzliche Frist für die Veröffentlichung für Gesellschaften, die dem Anwendungsbereich der EU-Transparenz-RL unterfallen, beträgt vier Monate nach dem Abschlussstichtag (§ 114 Abs. 1 WpHG). Eine Veröffentlichung des Einzelabschlusses und des Lageberichts (Einzel- und Konzernlagebericht) ist für alle kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften nach § 325 HGB bis spätestens vier Monate nach dem Abschlussstichtag und für alle anderen Kapitalgesellschaften innerhalb von zwölf Monaten nach dem Abschlussstichtag vorgeschrieben. Insoweit enthält der Kodex keine neuen Regelungen.

Rz. 9

Eine freiwillige Anregung nach Ziffer F.2 sieht aber vor, dass der Konzernabschluss und der Konzernlagebericht binnen 90 Tagen nach Geschäftsjahresende und unterjährige Finanzinformationen binnen 45 Tagen verfügbar sein sollen. Für diese Anregung, deren Einhaltung nicht erklärt werden muss, kann keine geltende EU-Richtlinie oder sonstige verbindliche Regelung als Hintergrund genannt werden. Es wird hier der Freiwilligkeit der Unternehmen überlassen, den Kapitalmarkt über den aktuellen Stand der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft zu informieren.

Rz. 10

Ergänzend zu den bisherigen Erläuterungen zur Rechnungslegung wird unter Anregung F.3 auf die digitale Finanzberichterstattung eingegangen. Seit dem 1.1.2020 müssen kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften ihren Jahresfinanzbericht gemäß der ESEF-Verordnung (VO (EU) 2019/815) im XHTML-Format veröffentlichen, der durch maschinenlesbare XBRL-Daten zu ergänzen ist. Hintergrund der Verordnung ist, den Zugang zu Finanzinformationen für Investoren zu verbessern und den grenzüberschreitenden Austausch von Finanzinformationen zu erleichtern. Dies bedeutet eine Vereinheitlichung und Digitalisierung der Finanzberichterstattung, wodurch die Transparenz erhöht und die Vergleichbarkeit verbessert werden soll.

2.2 Grundsatz 22: Rechnungslegung

Rz. 7a

Grundsatz 22 lautet: Anteilseigner und Dritte werden insbesondere durch den Konzernabschluss und den Konzernlagebericht (einschließlich CSR-Berichterstattung) sowie durch unterjährige Finanzinformationen unterrichtet.

Rz. 8

Damit werden zunächst die gesetzlichen Pflichten wiederholt. Wenn für ein Mutterunternehmen eine Pflicht zur Aufstellung einer Konzernrechnungslegung nach § 290 HGB oder § 11 PublG besteht, ist diese gemäß § 325 HGB offenzulegen und steht daher Anteilseignern und Dritten zur Verfügung. Die gesetzliche Frist für die Veröffentlichung für Gesellschaften, die zwingend von den Normen des DCGK erfasst werden, beträgt gemäß § 325 Abs. 4 HGB 4 Monate nach dem Abschlussstichtag, die jedoch mit Empfehlung F.2 nur 90 Tage betragen soll.

Rz. 9

Auch bei der unterjährigen Berichterstattung empfiehlt der DCGK über die gesetzlichen Regelungen hinauszugehen. Sofern die Gesellschaft nicht verpflichtet ist, Quartalsmitteilungen zu veröffentlichen, soll sie nach Empfehlung F.3 unterjährig neben dem Halbjahresfinanzbericht in geeigneter Form über die Geschäftsentwicklung, insbesondere über wesentliche Veränderungen der Geschäftsaussichten sowie der Risikosituation, informieren.

2.3 Grundsatz 23: Corporate Governance Berichterstattung

Rz. 24

Die größte Neuerung im überarbeiteten DCGK 2020 bezüglich der Rechnungslegung erfolgte bei der Berichterstattung über die Corporate Governance. Hier folgt die Kommission der auch vom Arbeitskreis Corporate Governance Reporting der Schmalenbachgesellschaft für Betriebswirtschaftslehre e. V. mehrfach geäußerten Ansicht, eine vollständige, zutreffende und verständliche Berichterstattung über die Corporate Governance sei die Voraussetzung dafür, das Vertrauen der Aktionäre und der anderen Stakeholder in die Leitung und Überwachung der Unternehmen zu fördern. Folgerichtig wurde daher das überkommene Nebeneinander des Corporate Governance Berichts nach Ziff. 3.10 DCGK 2017 und der Erklärung zur Unternehmensführung im Lagebericht nach § 289f HGB mit Grundsatz 23 beseitigt: Aufsichtsrat und Vorstand berichten jährlich in der Erklärung zur Unternehmensführung über die Corporate Governance der Gesellschaft.

3. Zusammenarbeit von Aufsichtsrat und Abschlussprüfer

Rz. 25

Im Grundsatz 18 wiederholt der DCGK die gesetzlichen Regelungen: Der Abschlussprüfer unterstützt den Aufsichtsrat bzw. den Prüfungsausschuss bei der Überwachung der Geschäftsführung, insbesondere bei der Prüfung der Rechnungslegung und der Überwachung der rechnungslegungsbezogenen Kontroll- und Risikomanagementsysteme. Der Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers informiert den Kapitalmarkt über die Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung.

2.2 Grundsatz 22: Rechnungslegung

Rz. 7a

Grundsatz 22 lautet: Anteilseigner und Dritte werden insbesondere durch den Konzernabschluss und den Konzernlagebericht (einschließlich CSR-Berichterstattung) sowie durch unterjährige Finanzinformationen unterrichtet.

Rz. 8

Damit werden zunächst die gesetzlichen Pflichten wiederholt. Wenn für ein Mutterunternehmen eine Pflicht zur Aufstellung einer Konzernrechnungslegung nach § 290 HGB oder § 11 PublG besteht, ist diese gemäß § 325 HGB offenzulegen und steht daher Anteilseignern und Dritten zur Verfügung. Die gesetzliche Frist für die Veröffentlichung für Gesellschaften, die zwingend von den Normen des DCGK erfasst werden, beträgt gemäß § 325 Abs. 4 HGB 4 Monate nach dem Abschlussstichtag, die jedoch mit Empfehlung F.2 nur 90 Tage betragen soll.

Rz. 9

Auch bei der unterjährigen Berichterstattung empfiehlt der DCGK über die gesetzlichen Regelungen hinauszugehen. Sofern die Gesellschaft nicht verpflichtet ist, Quartalsmitteilungen zu veröffentlichen, soll sie nach Empfehlung F.3 unterjährig neben dem Halbjahresfinanzbericht in geeigneter Form über die Geschäftsentwicklung, insbesondere über wesentliche Veränderungen der Geschäftsaussichten sowie der Risikosituation, informieren.

2.3 Grundsatz 23: Corporate Governance Berichterstattung

Rz. 24

Die größte Neuerung im überarbeiteten DCGK 2020 bezüglich der Rechnungslegung erfolgte bei der Berichterstattung über die Corporate Governance. Hier folgt die Kommission der auch vom Arbeitskreis Corporate Governance Reporting der Schmalenbachgesellschaft für Betriebswirtschaftslehre e. V. mehrfach geäußerten Ansicht, eine vollständige, zutreffende und verständliche Berichterstattung über die Corporate Governance sei die Voraussetzung dafür, das Vertrauen der Aktionäre und der anderen Stakeholder in die Leitung und Überwachung der Unternehmen zu fördern. Folgerichtig wurde daher das überkommene Nebeneinander des Corporate Governance Berichts nach Ziff. 3.10 DCGK 2017 und der Erklärung zur Unternehmensführung im Lagebericht nach § 289f HGB mit Grundsatz 23 beseitigt: Aufsichtsrat und Vorstand berichten jährlich in der Erklärung zur Unternehmensführung über die Corporate Governance der Gesellschaft. Somit entfällt die bisherige Empfehlung zum Corporate Governance Bericht nach Ziff. 3.10 DCGK 2017 und die Erklärung zur Unternehmensführung wird zum zentralen Instrument der Corporate Governance Berichterstattung.

Zahlreiche Gesellschaften sind schon bisher dazu übergegangen, den Corporate Governance Bericht und die Erklärung zur Unternehmensführung zusammenzufassen, was erheblich zur Verbesserung der Klarheit und Verständlichkeit der Corporate Governance Berichterstattung beiträgt. Die Regierungskommission ist sich laut Begründung bewusst, dass für die Erklärung zur Unternehmensführung als Teil des Lageberichts primär der Vorstand verantwortlich ist. Die Kompetenzverteilung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat kann dadurch gewahrt werden, dass die beiden Organe die Erklärung zur Unternehmensführung gemeinsam erstatten und jeweils für die sie betreffenden Berichtsteile zuständig sind. § 289f Abs. 2 Nr. 2 HGB verlangt, relevante Angaben zu Unternehmensführungspraktiken, die über die gesetzlichen Anforderungen hinaus angewandt werden, in die Erklärung zur Unternehmensführung aufzunehmen.

Rz. 24a

In dem Coporate Governance Bericht im Rahmen der Erklärung zur Unternehmensführung sind per Empfehlungen einige eigenständige Transparenzempfehlungen aufzunehmen, was mit dem DCGK 2020 und DCGK 2022 weiter ausgebaut wird. So soll nach Empfehlung A.2 (2020) der Vorstand für ein an der Risikolage des Unternehmens ausgerichtetes Compliance Management System sorgen und dessen Grundzüge offenlegen. Mit DCGK 2022 ist diese Empfehlung A.5 geworden und wurde konkretisiert zu: Im Lagebericht sollen die wesentlichen Merkmale des gesamten internen Kontrollsystems und des Risikomanagementsystems beschrieben werden und soll zur Angemessenheit und Wirksamkeit dieser Systeme Stellung genommen werden. Der Hinweis auf das Compliance Management System wurde – da inzwischen gesetzlich gefordert – in den Grundsatz 5 integriert.

Rz. 24b

Nach Empfehlung B.2 soll nach DCGK 2020 und 2022 der Aufsichtsrat gemeinsam mit dem Vorstand für eine langfristige Nachfolgeplanung sorgen und die Vorgehensweise in der Erklärung zur Unternehmensführung beschreiben. Zudem soll eine Altersgrenze für Vorstandsmitglieder festgelegt und in der Erklärung zur Unternehmensführung angegeben werden (Empfehlung B.5).

Rz. 24c

Besonders für den Aufsichtsrat sind über die gesetzlichen Angabepflichten hinausgehende Empfehlungen im DCGK 2020 enthalten. So soll nach Empfehlung C.1 der Aufsichtsrat für seine Zusammensetzung konkrete Ziele benennen und ein Kompetenzprofil für das Gesamtgremium erarbeiten. Dabei soll der Aufsichtsrat auf Diversität achten. Vorschläge des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung sollen diese Ziele berücksichtigen und gleichzeitig die Ausfüllung des Kompetenzprofils für das Gesamtgremium anstreben. Der Stand der Umsetzung soll in der Erklärung zur Unternehmensführung veröffentlicht werden. Mit DCGK 2022 wird dies in der überarbeiteten Empfehlung C.1 weiter konkretisiert, indem das Kompetenzprofil für den Aufsichtsrat auch eine Nachhaltigkeitsexpertise enthalten soll und der Stand der Umsetzung in Form einer Qualifikationsmatrix offengelegt werden soll.

Diese soll auch über die nach Einschätzung der Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat angemessene Anzahl unabhängiger Anteilseignervertreter und die Namen dieser Mitglieder informieren. Auch für die Aufsichtsratsmitglieder soll nach Empfehlung C.2 eine Altersgrenze festgelegt und in der Erklärung zur Unternehmensführung angegeben werden. Zudem soll nach Empfehlung C.3 die Dauer der Zugehörigkeit zum Aufsichtsrat offengelegt werden. Beides ist unverändert auch in den DCGK 2022 übernommen worden.

3. Zusammenarbeit von Aufsichtsrat und Abschlussprüfer

Rz. 25

Im Grundsatz 18 wiederholt der DCGK die gesetzlichen Regelungen: Der Abschlussprüfer unterstützt den Aufsichtsrat bzw. den Prüfungsausschuss bei der Überwachung der Geschäftsführung, insbesondere bei der Prüfung der Rechnungslegung und der Überwachung der rechnungslegungsbezogenen Kontroll- und Risikomanagementsysteme. Der Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers informiert den Kapitalmarkt über die Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung.

Der Grundsatz wird ergänzt um 3 Empfehlungen, wobei die ersten beiden zwar neu nummeriert, aber unverändert geblieben sind im DCGK 2022. So empfiehlt D.9/8: Der Aufsichtsrat oder der Prüfungsausschuss soll mit dem Abschlussprüfer vereinbaren, dass dieser ihn unverzüglich über alle für seine Aufgaben wesentlichen Feststellungen und Vorkommnisse unterrichtet, die bei der Durchführung der Abschlussprüfung zu seiner Kenntnis gelangen. Nach Empfehlung D.10/9 soll der Aufsichtsrat oder der Prüfungsausschuss mit dem Abschlussprüfer vereinbaren, dass dieser ihn informiert und im Prüfungsbericht vermerkt, wenn er bei Durchführung der Abschlussprüfung Tatsachen feststellt, die eine Unrichtigkeit der von Vorstand und Aufsichtsrat abgegebenen Erklärung zum Kodex ergeben. D.11 (2020): Der Prüfungsausschuss soll regelmäßig eine Beurteilung der Qualität der Abschlussprüfung vornehmen. Der neue D.10 (2022) lautet dagegen: Der Prüfungsausschuss soll mit dem Abschlussprüfer die Einschätzung des Prüfungsrisikos, die Prüfungsstrategie und Prüfungsplanung sowie die Prüfungsergebnisse diskutieren. Der Vorsitzende des Prüfungsausschusses soll sich regelmäßig mit dem Abschlussprüfer über den Fortgang der Prüfung austauschen und dem Ausschuss hierüber berichten. Der Prüfungsausschuss soll regelmäßig mit dem Abschlussprüfer auch ohne den Vorstand beraten.

4. Weitere Rechnungslegungsverpflichtungen im Zusammenhang mit dem DCGK

Rz. 46

Durch das Transparenz- und Publizitätsgesetz wurde der § 161 neu in das Aktiengesetz eingefügt und durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz deutlich erweitert. Er verpflichtet den Vorstand und den Aufsichtsrat von börsennotierten Gesellschaften, einmal jährlich eine sogenannte Entsprechenserklärung abzugeben. Diese Erklärung stellt keinen Bestandteil des Jahresabschlusses dar, sondern ist ein eigenständiger Teil der externen Rechnungslegung bzw. des Lageberichts, vgl. § 289a HGB. In dieser Entsprechenserklärung ist offenzulegen und zu begründen, in welchen Punkten bei der Gesellschaft von den Empfehlungen des DCGK abgewichen wird. Die Beschränkung auf die "Soll-Bestimmungen" resultiert daraus, dass die gesetzlichen Regelungen sowieso von den Unternehmen einzuhalten sind und eine Erläuterung bei Abweichungen von Anregungen des DCGK nicht erforderlich ist.

Rz. 47
Für die Abgabe der Entsprechenserklärung nach § 161 AktG ist nach der Auffassung in der Literatur auf
den Zeitraum seit der letzten Berichterstattung im Anhang des Jahresabschlusses gemäß §§ 285 Nr. 16
bzw. 314 Abs. 1 Nr. 8 HGB abzustellen.

Rz. 48
In der Entsprechenserklärung musste ursprünglich nach dem Gesetz in der Vergangenheit keine
Begründung der einzelnen Abweichungen von den Regelungen des DCGK erfolgen. Dies hat sich erst
durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz geändert. Nun müssen zwingend Begründungen für
Abweichungen des DCGK geliefert werden. Dies kann im Lagebericht im Abschnitt der Erklärung zur
Unternehmensführung oder auf der Internetseite der Gesellschaft bei einer ausgelagerten Erklärung zur
Unternehmensführung erfolgen. Diese Aussagen sind gemäß § 317 Abs. 2 Satz 4 HGB nicht
prüfungspflichtig und damit nicht durch den Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers abgedeckt.

Rz. 49
Nach der hier vertretenen Auffassung ist die Entsprechenserklärung vom Vorstand in
vertretungsberechtigter Form und vom Vorsitzenden des Aufsichtsrates zu unterzeichnen. Dies ergibt
sich aus der Stellung der Entsprechenserklärung als Instrument der externen Rechnungslegung, das
Erklärungen der beiden Organe Vorstand und Aufsichtsrat einschließt. Bei gemischter Gesamtvertretung
kommt aber nach Ansicht des Verfassers keine Mitunterzeichnung eines Prokuristen in Betracht, weil es
sich hier um keine alleinige Erklärung der Gesellschaft, sondern in weiten Teilen um eine Äußerung des
Vorstands bzw. seiner Mitglieder sowie des Aufsichtsrats handelt.

Rz. 50
Die Entsprechenserklärung ist nach § 161 Abs. 2 AktG den Aktionären dauerhaft zugänglich zu machen.
Dies hat auf der Internetseite des Unternehmens zu erfolgen. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die
Entsprechenserklärung nach § 325 Abs. 1 Nr. 2 HGB zu den Unterlagen gehört, die zum Bundesanzeiger
und zum Unternehmensregister eingereicht werden müssen bzw. das Geschäftsjahr 2022 betreffende
Unterlagen an die das Unternehmensregister führende Stelle zu übermitteln ist.

Rz. 51
Wenn von einem nach § 161 AktG zur Abgabe einer Entsprechenserklärung verpflichteten Unternehmen
eine solche nicht abgegeben wird, führt dies zutreffend zu einer Einschränkung des
Bestätigungsvermerks durch den Abschlussprüfer.
Mit der Umsetzung der Ausweitung der Nachhaltigkeitsberichterstattung ist derzeit auch die Integration
von vielen Angaben aus der Entsprechenserklärung und dem Corporate Governance Bericht in die
Nachhaltigkeitsberichterstattung in der Diskussion. Insbesondere der Entwurf des
EU-Nachhaltigkeitsstandards (ESRS) G.1 besteht fast vollständig aus bereits in der Erklärung zur
Unternehmensführung oder dem DCGK geforderten Angaben. Es bleibt abzuwarten, ob es dann zu
Dopplungen kommt oder der Richtlinien- und Gesetzgeber dies zu einer gesetzlichen Bereinigung
nutzen, sodass alle Informationen zur Corporate Governance als ein Teil der
Nachhaltigkeitsberichterstattung gebündelt werden.

4.2 Anhangangaben

4.2.1 Einzelabschluss

Rz. 52

Im Anhang des Einzelabschlusses kapitalmarktorientierter Gesellschaften muss nach § 285 Nr. 16 HGB ein Hinweis auf die erfolgte Abgabe der Entsprechenserklärung aufgenommen werden. Dieser hat zu enthalten, dass zum einen die nach § 161 AktG vorgeschriebene Erklärung von Vorstand und Aufsichtsrat abgegeben wurde und zum anderen, dass diese auch den Stakeholdern dauerhaft zugänglich gemacht wurde. Hierzu reicht eine Veröffentlichung auf der Internetseite des berichtspflichtigen Unternehmens aus. Die Entsprechenserklärung selbst stellt dagegen keinen verpflichtenden Teil des Anhangs zum Jahresabschluss dar.

Rz. 53

Weil es sich bei der Angabe zur Abgabe der Entsprechenserklärung nach § 285 Nr. 16 HGB um einen Teil des Anhangs zum Jahresabschluss handelt, unterliegt sie somit auch verpflichtend der Prüfung durch den Abschlussprüfer. Wichtig ist, dass sich die Prüfung des Abschlussprüfers nur auf das Vorhandensein der Anhangangabe und deren formale Richtigkeit, also Abgabe der Entsprechenserklärung, bezieht. Dies bedeutet, es wird nur geprüft, ob eine Entsprechenserklärung durch Vorstand und Aufsichtsrat abgegeben wurde und ob diese den Aktionären zugänglich gemacht wurde. Von der Prüfung des Abschlussprüfers ausdrücklich nicht erfasst wird die inhaltliche Richtigkeit der abgegebenen und veröffentlichten Entsprechenserklärung.

4.2.2 Konzernabschluss

Rz. 54

Auch im Anhang des Konzernabschlusses ist gemäß § 314 Abs. 1 Nr. 8 HGB eine Angabe zu tätigen, ob von Vorstand und Aufsichtsrat eine Entsprechenserklärung abgegeben wurde und dass diese den Stakeholdern dauerhaft zugänglich gemacht wurde. Diese Verpflichtung gilt für sämtliche Mutterunternehmen, also auch für die, die selbst nicht kapitalmarktorientiert sind, wenn ein entsprechendes Unternehmen in den Konzernabschluss einbezogen wurde. Dies gilt unabhängig davon, ob die Konsolidierung dieses Unternehmens verpflichtend oder in entsprechender Ausübung eines Wahlrechts erfolgt. Sofern in einen Konzernabschluss mehrere solche Unternehmen einbezogen werden, ist nach der hier vertretenen Auffassung für jedes dieser Unternehmen eine eigene Angabe im Konzernanhang nach § 314 Abs. 1 Nr. 8 HGB erforderlich. Im Schrifttum wird zutreffend darauf hingewiesen, dass die Anhangangabe gemäß § 314 Abs. 1 Nr. 8 HGB auch bei der Aufstellung eines befreienden Konzernabschlusses unter Anwendung international anerkannter Rechnungslegungsmethoden nach IFRS verpflichtend ist.

Rz. 55

Nach Meinungen im Schrifttum, die zutreffend erscheinen, sind in den Konzernanhang keine Angaben nach § 314 Abs. 1 Nr. 8 HGB für diejenigen Gesellschaften aufzunehmen, die lediglich als assoziierte Unternehmen in den Konzernabschluss des bilanzierenden Mutterunternehmens einbezogen werden.

Rz. 56

Die Anhangangabe im Konzernabschluss unterliegt ebenfalls verpflichtend der Prüfung durch den Konzernabschlussprüfer. Es gelten allerdings die gleichen Einschränkungen wie bei der Angabe im Anhang des Einzelabschlusses nach § 285 Nr. 16 HGB. Insoweit kann auf die entsprechenden Ausführungen verwiesen werden.

4.3 Offenlegung

Rz. 57

Die Entsprechenserklärung nach § 161 AktG stellt einen eigenständigen Bestandteil der externen Rechnungslegung von sogenannten kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften dar. Deshalb ist die Entsprechenserklärung mit dem Jahresabschluss und ggf. mit dem Konzernabschluss sowie den übrigen Unterlagen nach § 325 Abs. 1 HGB zum Bundesanzeiger einzureichen und damit offenzulegen. Die Frist hierfür beträgt für kapitalmarktorientierte Gesellschaften nach § 325 Abs. 4 HGB grundsätzlich 4 Monate. § 327 a HGB gewährt Erleichterungen für solche Gesellschaften, die lediglich Schuldtitel mit großer Stückelung (100.000 EUR) an einem organisierten Markt gelistet haben. Anschließend wird die Entsprechenserklärung mit den übrigen in § 325 Abs. 1 HGB genannten Unterlagen im Unternehmensregister veröffentlicht.

5. Bewertung des DCGK

Rz. 58

Mit dem DCGK hat sich Deutschland hinsichtlich der Corporate Governance in Europa positiv profiliert. Nach Ansicht des Verfassers war die Anerkennung des DCGK durch die einzelnen Gesellschaften in den ersten Jahren akzeptabel. Auch im Jahr 2014 ist die Akzeptanz weiter angestiegen. Im Schrifttum wird allerdings auf eine wahrnehmbare Differenzierung nach der Größe des börsennotierten Unternehmens hingewiesen. In einzelnen Fällen sind die Satzungen angepasst worden, sodass sich die erklärungsbedürftigen Abweichungen vom DCGK grundsätzlich noch weiter verringern dürften. In der Zukunft ist auch sonst mit einer tendenziellen Zunahme der Anerkennung der einzelnen Empfehlungen und Hinweise des DCGK neben der Selbstverständlichkeit der Befolgung gesetzlicher Vorschriften zu rechnen.

Rz. 59

Der DCGK besitzt zwar keine Qualität eines Gesetzes oder einer Rechtsverordnung, da er in der Normenhierarchie niedriger angesiedelt ist. Dieser Umstand und die behauptete Lückenhaftigkeit des DCGK wird im Schrifttum bedauert. Doch sollten von den Mitgliedern der Organe die Rechtsfolgen aus der Abgabe einer unzutreffenden Entsprechenserklärung nach § 161 AktG nicht unterschätzt werden. Beginnend mit den über § 342 HGB im Gesetz verankerten Deutschen Rechnungslegungsstandards legt der Gesetzgeber offensichtlich im Bereich der Rechnungslegung und der Unternehmensorganisation immer mehr eigentlich hoheitliche Aufgaben in die Hände von privaten Standardsettern. Diese Regelungen werden dann durch eine Veröffentlichung im Bundesanzeiger in der Normenhierarchie auf ein höheres Niveau angehoben. Ähnlich verhält es sich mit der Bekanntmachung des DCGK im elektronischen Bundesanzeiger.

Insgesamt ist mit einer weiteren Verschärfung der die Corporate Governance betreffenden Normen in Deutschland sowohl durch den Gesetzgeber als auch durch die Kodex-Kommission zu rechnen. Hierzu kann auf die Entwicklung diverser Anregungen des DCGK zu Empfehlungen des Kodex und der zu schließenden Verankerung im Gesetz verwiesen werden. Zudem wurde auch mit der Umsetzung der Aktionärsrichtlinie der Corporate Governance-Bericht neu im Gesetz gefasst, um die an unterschiedlichen Stellen im Gesetz verankerten Pflichten stärker zu konzentrieren. Der Arbeitskreis Corporate Governance Reporting der Schmalenbachgesellschaft für Betriebswirtschaftslehre e. V. hat dazu Vorschläge unterbreitet, die aber nur teilweise vom Gesetzgeber in der Erklärung zur Unternehmensführung bzw. von der Kodex-Kommission im DCGK 2020 bzw. 2022 umgesetzt wurden. Auch Hopt/Leyens sehen bei allem Lob für das bislang Erreichte weiteres Verbesserungspotenzial im Kodex und der Berichterstattung über die Corporate Governance, insbesondere bezüglich der Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder, der Flexibilität von Vergütungssystemen und des stärkeren Einbezugs internationaler Themen, wie dem Vergütungsausschuss, der vorstandsunabhängigen Information, der Aus- und Weiterbildung, der Selbstbeurteilung und dem Aufsichtsratsvorsitzenden.