
1. Schöne Worte, gute Bewertung?
Was auf den ersten Blick wie eine gut gemeinte und lobende Botschaft aussieht, ist nicht selten der Vorbote eines schlechten Urteils. Ob gewollt oder unbewusst formuliert: So eine Aussage kann für Arbeitnehmer ungeahnte Folgen haben – vor allem dann, wenn seine Bewertung zu Unrecht negativ ausfällt. Wer eine positive Bewertung abgeben möchte, sollte darauf achten, dass Doppeldeutungen gar nicht erst möglich sind. Denn im Zweifelsfall gilt immer die negative Auslegung.
„Er war bei Kunden schnell beliebt.“ = Verhandeln ist nicht seine Stärke.
„Sie zeigte Verständnis und Interesse für ihre Arbeit.“ = Sie hat nicht gut gearbeitet.
„Er war ein umgänglicher und kontaktbereiter Kollege.“ = Er war nicht beliebt.

2. Selbstverständliches gehört nicht ins Arbeitszeugnis
Was im Arbeitszeugnis wie eine harmlose Aussage klingt, kann in der Zeugnissprache das genaue Gegenteil meinen. Sind Selbstverständlichkeiten wie beispielsweise das pünktliche Erscheinen im Arbeitszeugnis beschrieben, ist dies allerdings ein denkbar schlechtes Zeichen. Denn offensichtlich gab es nichts Positiveres über den Arbeitnehmer zu sagen.
„Sie erschien stets pünktlich zur Arbeit.“

3. Formulierungen sind kontextabhängig
Zeugnissprache kann auf den ersten Blick durchaus widersprüchlich erscheinen, da viele Formulierungen sowohl negative als auch positive Aussagen haben können – je nachdem, in welchem Kontext sie stehen. Bedenklich wird es immer dann, wenn die Belege zu den Aussagen fehlen. Ein Beispiel:
Wer mit "Fleiß und Interesse" seiner Arbeit nachgeht, kann mit „herausragenden Ergebnissen überzeugen“. Fehlt jedoch der Zusatz zur Erfolgsorientierung, hat die Zeugnisformulierung eine negative Konnotation.

4. Kurz und knapp = gut?
Ob gut oder schlecht: Entscheidend ist, was drin steht oder auch was NICHT drin steht. Denn oft ist bereits das Weglassen von üblichen Informationen ein Code. Fehlen wichtige Aspekte oder sprachliche Zusätze kann dies auf eine negative Beurteilung hindeuten. Im folgenden Beispiel fehlt beispielsweise der Hinweis auf eine gute Beziehung gegenüber Vorgesetzten.
Im Kollegenkreis war er als toleranter Mitarbeiter beliebt. = Gegenüber den Vorgesetzten war er dies nicht.

5. Aktivformulierungen vs. Passivformulierungen
Von Mitarbeitern in höheren Positionen erwarten Arbeitgeber in der Regel ein gewisses Maß an Eigeninitiative. Eine Passivformulierung im Arbeitszeugnis deutet jedoch das genaue Gegenteil an: Der Arbeitnehmer zeigte wenig Engagement.
„Ihr wurden die Aufgaben XY übertragen.“
„Sie wurde für folgende Tätigkeiten eingesetzt:“

Zwischen den Zeilen – versteckte Botschaften der Zeugnissprache
In der Regel verbergen sich die geheimen Codes der Zeugnissprache insbesondere in der Leistungsbeurteilung und in der Schlussformulierung. Dennoch können auch fehlende Informationen sowie ungenaue oder kurze Formulierungen im gesamten Zeugnis Hinweise auf eine schlechte Bewertung geben. Außerdem bilden die enthaltenen Informationen die Grundlage für die Interpretation der Zeugnissprache.